Aktueller Kommentar Jänner 2025

Neuerungen in der Hochschul- und Forschungskooperation: Kapazitätsaufbau im Globalen Süden oder Standortpolitik?

Margarita Langthaler

Eine Sonderrichtlinie des Bildungsministeriums bringt weitreichende Änderungen für Hochschul- und Forschungspartnerschaftsprogramme mit dem Globalen Süden. Fördert Österreich dadurch Kooperation auf Augenhöhe oder eher den eigenen Wissenschaftsstandort?

Von Margarita Langthaler (ÖFSE), Jänner 2025

Die Förderung der Hochschulbildung war von Anfang an ein Kernthema der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) und ist es nach wie vor. Neben den Programmen der OEZA haben auch jene des Wissenschaftsministeriums eine lange Tradition. Freilich hat sich über die Jahrzehnte die Programmgestaltung stark verändert.

Veränderungen der Hochschulförderung im Laufe der Zeit

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Stipendienprogramme für Personen aus Entwicklungsländern für Studium und Ausbildung in Österreich das bevorzugte Instrument. Seit Beginn der 2000er Jahre legt man jedoch zunehmend Gewicht auf die Förderung institutioneller Kooperationen und langfristiger Vernetzung. Ziel ist es, den Aufbau institutioneller Kapazitäten im Globalen Süden zu unterstützen.

Diese programmatische Verschiebung findet ihren deutlichen Ausdruck im APPEAR-Programm der OEZA, das 2009 die meisten der bis dahin laufenden OEZA-Stipendienprogramme ablöste. Auch APPEAR hat eine Stipendien-Komponente. Diese ist allerdings der Schwerpunktsetzung auf institutionelle Kooperation zwischen österreichischen Hochschulen und solchen aus OEZA-Schwerpunktländern untergeordnet und soll diese ergänzen. Neben der Verschiebung von individueller zu institutioneller Förderung gab es eine weitere strukturelle Veränderung in der OEZA-Hochschulstrategie: Partnerinstitutionen im Globalen Süden übernehmen vermehrt Projektverantwortung und -führung. Insgesamt hat sich gezeigt, dass diese Maßnahme sehr effektiv im Sinne des langfristigen und nachhaltigen Aufbaus institutioneller Kapazitäten in den südlichen Partnerländern ist. Sie ermöglicht es zudem, Vernetzung und Kooperationen zwischen Hochschulen im globalen Süden (Süd-Süd-Kooperationen) anzustoßen. Sie erleichtert auch die Etablierung von Nord-Süd-Kooperationen und Forschungspartnerschaften auf Augenhöhe(siehe dazu: Groh et al 2023).

In den letzten Jahren wurde mit dem BMBWF-finanzierten Africa UniNET ein Instrument geschaffen, das bewährte Kooperationsprogramme der OEZA sinnvoll ergänzt und eine bemerkenswerte Dynamik in Österreichs Entwicklungsforschungslandschaft entfacht hat. Die Vernetzung mit afrikanischen Hochschulen hat sowohl in Nord-Süd-Richtung als auch innerhalb Afrikas deutlich zugenommen. Die aktuellen Ausschreibungen dieses und anderer BMBWF-finanzierten Programme der Entwicklungsforschung bringen allerdings maßgebliche strukturelle Änderungen mit sich. Wie sind diese aus entwicklungspolitischer Perspektive einzuschätzen?

Von globalen Asymmetrien zu Partnerschaften auf Augenhöhe

Im europäischen und internationalen Kontext nahm in den letzten Jahren die Förderung wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Ländern des Globalen Südens, insbesondere mit Sub-Sahara Afrika, stark zu. Die EU hat beispielsweise die Fördermittel für Afrika in ihren Programmen substantiell erhöht. Auf UN-Ebene sind Nord-Süd-Kooperationen als Zielsetzung im SDG 17.6 festgeschrieben. Immer häufiger wird „equity“, also Gleichberechtigung, zu einer Auflage für die Finanzierung solcher Forschungs- und anderer Partnerschaften (siehe z.B. den TRUST Code). Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Machtasymmetrien im globalen Hochschul- und Wissenschaftssystem auch in Nord-Süd-Kooperationen widerspiegeln. Dabei geben die Nordpartner*innen oft die Forschungsagenda vor, während den Südpartner*innen vor allem die Vermittlung im lokalen Kontext und die Datensammlung zufallen. Solch asymmetrische Partnerschaften festigen nicht nur bestehende Nord-Süd-Machtasymmetrien. Sie tragen oft auch wenig zum Aufbau qualitätsvoller Institutionen und zur Lösung konkreter Herausforderungen in den betroffenen Ländern des Globalen Südens bei.

Ein Schritt vorwärts oder zwei Schritte zurück?

Zurück nach Österreich. In der Nationalen Hochschulmobilitäts- und Internationalisierungsstrategie 2020-2030 des BMBWF ist die Stärkung der Kooperation mit Hochschulen aus Entwicklungsländern als Ziel verankert (s.19). Ebenso enthält die Sonderrichtlinie für das Förderungsprogramm „Maßnahmen zur Internationalisierung“ unter anderen eine entsprechende Zielsetzung: Sie soll zur Lösung globaler gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen. Zudem soll sie den Kapazitätsaufbau und die Entwicklung wenig entwickelter Länder und Regionen fördern, um die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) zu erreichen.

Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, ob die strukturellen Veränderungen in den BMBWF-finanzierten Programmen wie Africa UniNET dieser Zielsetzung zuträglich sind. Besonders kritisch ist die neue Bestimmung, dass nur noch die österreichische Partnerinstitution Anträge stellen und den Projekt-Lead übernehmen darf. Zudem wird die Mobilität nur noch zwischen Österreich und dem jeweiligen Partnerland gefördert – nicht mehr zwischen Südpartnerländern, etwa innerhalb Afrikas.

Dadurch vermindert sich die Attraktivität der Programme für Partnerinstitutionen im Globalen Süden. Das gilt insbesondere für das Vernetzungsprogramm AfricaUniNet, das Mitgliedsbeiträge einhebt. Diese stellen für manche afrikanischen Universitäten ohnehin eine Hürde dar. Die Aussicht, diese zu bezahlen und dann keine Projekte einreichen zu können, sondern von den österreichischen Partnerinstitutionen abhängig zu sein, ist nicht sehr attraktiv.

Die Programme werden aber ebenso für die österreichischen Hochschulen zunehmend uninteressant. Den Projekt-Lead übernehmen zu müssen, bedeutet für sie viel administrative Arbeit für vergleichsweise geringe finanzielle Mittel.

Und wie steht es um die Politikkohärenz?

Nun kann man sowohl der Internationalisierungsstrategie als auch der Sonderrichtlinie deutlich entnehmen, dass deren wesentliche Zielsetzung die Stärkung des Wissenschaftsstandortes Österreich ist. Dies entspricht durchaus den Kernaufgaben des BMBWF, die bekanntlich keine entwicklungspolitischen sind. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Anrechnung der Finanzmittel als Official Development Assistance (ODA) gerechtfertigt ist. Es dürfen Parallelen zur langjährigen Diskussion über die indirekten Studienplatzkosten gezogen werden, die Österreich jährlich als ODA bei der OECD meldet. Zwar erkennt die OECD diese Kosten, die Studierende aus Entwicklungsländern den österreichischen Hochschulen verursachen, als ODA an. Gleichzeitig wird Österreich - sowohl von der OECD als auch von der Zivilgesellschaft - dafür kritisiert. Denn die indirekten Studienplatzkosten machen einen vergleichsweise hohen Anteil (2023: 9%) an der Gesamt-ODA Österreichs aus, während ihre entwicklungspolitische Wirkung umstritten ist.

Abgesehen von der Problematik der ODA-Anrechnung geben die Neuerungen der BMBWF-Sonderrichtlinie aus Perspektive der Politikkohärenz Anlass zur Verwunderung. Die Förderung von Entwicklungsforschung ist zwar ein explizites Ziel (s.7/8), die programmatische Abstimmung mit Strategien und Programmen der OEZA scheint dafür jedoch nicht als notwendig angesehen zu werden. Dies spiegelt sich in der Aufzählung nationaler Strategien wider, zu denen die Sonderrichtlinie im Sinne des gesamtstaatlichen Ansatzes einen Beitrag leisten will (s.8). Das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik sucht man dort vergebens.

Im Sinne einer ganzheitlich verstandenen Hochschul-Internationalisierung sowie des gesamtstaatlichen Ansatzes zur Umsetzung der SDGs wäre es wünschenswert, die österreichische Hochschulförderung an Erkenntnissen und Prinzipien im Sinne von equitable research partnerships auszurichten. Es bleibt zu hoffen, dass nach Ablauf der Geltungsdauer der Sonderrichtlinien mit Ende 2026 deren Bestimmungen zu Antragstellung und Mobilität zurückgenommen werden. Dies wäre auch den spezifischen Zielsetzungen, einen Beitrag zur Lösung lokaler und globaler Probleme und zum Aufbau nachhaltiger Kapazitäten im Globalen Süden zu leisten, zuträglich.

Dr.in Margarita Langthaler, Senior Researcher (ÖFSE)
Arbeitsschwerpunkte: Bildungsstrategien in der EZA, Berufliche Bildung und Skills Development, Bildung und die Sustainable Development Goals (SDGs), Entwicklungsforschung in Österreich
mehr Informationen zu Margarita Langthaler